Verfasst von Paul Drzimalla
Brummm! Selbst wer in der Agglomeration lebt, wird hin und wieder von einem Traktor an zwei Tatsachen erinnert. Erstens, die Schweiz ist durch und durch landwirtschaftlich geprägt. Zweitens, in Traktoren arbeiten immer noch grosse Verbrennermotoren. Daher – und von den riesigen Stollenreifen – rührt der Lärm. Und während die Personenwagen in immer grösserer Zahl rein elektrisch über die Strassen surren, stellt sich die Frage: Wann ist es bei den Traktoren so weit?
Vorteile von E-Traktoren in der Schweiz
Anfang 2022 gibt es zwei Gründe, die auch der Schweiz in Zukunft Traktoren mit Batterie und Elektromotoren bescheren könnten.
Erste E-Modelle kommen jetzt
Rund 2000 Traktoren werden in der Schweiz pro Jahr neu zugelassen. An der Spitze lag in den letzten Jahren die Marke Fendt, Teil des US-Konzerns AGCO, dessen Europaniederlassung in Neuhausen im Kanton Schaffhausen liegt. 2017 hat Fendt mit dem e100 Vario ein batterieelektrisches Modell vorgestellt. Ein Jahr später folgte der schweizerische Hersteller Rigitrac mit dem SKE 50. Beide Modelle haben eine Nennleistung von 50 kW, was für Traktoren eher im unteren Bereich ist. Fendt und Rigitrac sollen demnächst in Serie gehen; von anderen Herstellern wie dem US-Branchenprimus John Deere gab es in der Vergangenheit zwar Produktstudien, bisher aber noch keine konkreten Modelle.

Sauberer Strom in Hülle und Fülle
Was bei Personenwagen gilt, gilt auch für Traktoren: Ein Elektroantrieb ist ökonomisch wie ökologisch noch sinnvoller, wenn er mit Strom vom eigenen Dach betrieben wird. Und Dachflächen gibt es in der Landwirtschaft zur Genüge: Scheunen und Ställe sind heute oft nur zu einem kleinen Teil mit Solarpanels bedeckt, weil der Eigenverbrauch keine grössere Anlage nötig macht und Einspeisen nicht überall rentabel ist. Ein Elektro-Traktor könnte den Eigenverbrauch enorm steigern. Und das Potenzial für die Ernte von Sonnenstrom ist gross: Auf 1’200 GWh pro Jahr bis 2030 schätzt es der Verein AgroCleanTech.
Nachteile von E-Traktoren
Eine Nachfrage bei AgroCleanTech sowie dem Schweizerischen Verband für Landtechnik SVLT zur Zukunft der E-Traktoren in der Schweiz ergibt jedoch ein nicht ganz so euphorisches Bild. Gegen eine rasche Elektrifizierung der rund 140’000 landwirtschaftlichen Traktoren hierzulande sprechen aus Expertensicht vor allem zwei Gründe.
Das Nutzungsprofil passt oft nicht
Traktoren werden für die unterschiedlichsten Dinge eingesetzt, was auch die sehr unterschiedlichen Grössenklassen erklärt. Allerdings bewegen sie sich dabei anders als Personenfahrzeuge. «Traktoren sind nur etwa 300 bis 500 Stunden pro Jahr im Einsatz, allerdings dann während mindestens 3 bis 4 Stunden bei hoher Intensität», erklärt Nathanaël Gobat, Co-Geschäftsführer von AgroCleanTech. «Rechnet man mit 40 kW Leistung während 4 Stunden, kommt man auf eine Batterie mit 160 kWh Kapazität.» Das sei beim aktuellen Stand der Technik nicht sinnvoll. Zudem sei die Betriebstemperatur ein Problem. Ein Traktor müsse halt auch im Winter bei minus 10 Grad sehr hohe Leistungen bringen. Zudem funktioniert das Prinzip der Rekuperation, bei dem Bremsenergie die Batterie wieder lädt, bei Zugmaschinen wenig bis gar nicht.
Die Ökonomie spricht (noch) für Diesel
Bei Elektrofahrzeugen macht die Batterie einen grossen Anteil an den Produktionskosten aus. Leistungsstarke Batterien, wie sie für Grosstraktoren benötigt würden, bedeuten entsprechend hohe Fahrzeugkosten. Dr. Roman Engeler, Direktor des SVLT, bilanziert deshalb: «Der Treibstoff Diesel ist aufgrund seiner Energiedichte und seines Preises pro Energiedichte bis heute unerreicht.» Bei leistungsstärkeren Traktoren würde ein elektrischer Antrieb unter dem Strich unwirtschaftlich. «Das kann sich alles ändern», so Engeler, «wenn sich das preisliche Gefüge ändert und die Batterieforschung Fortschritte macht.» Vor allem mit Letzterem rechne er fest.
Hof-Elektrifizierung im Kleinen schreitet voran
Grosse E-Traktoren mögen noch ausser Sichtweite sein. Dennoch hat die Elektrifizierung die Landwirtschaft längst erreicht – im kleineren Massstab. «Die Tendenz ist, kleinere Landwirtschaftsprozesse zu elektrifizieren», so Gobat. Geräte wie Futteranschieber gibt es bereits mit Elektroantrieb. Ebenso entwickeln viele Hersteller elektrische Anbaugeräte für Traktoren wie Heuwender oder Spaltmaschinen, die zwar vom Dieselmotor des Traktors angetrieben werden, jedoch nicht über eine mechanische Welle, sondern über einen Generator.
Aber auch vollelektrische Fahrzeuge fahren heute schon über den Bauernhof, zum Beispiel sogenannte Hoflader. «Diese sind pro Tag nur sehr wenige Stunden im Einsatz, sodass eine Elektrifizierung mehr Sinn macht», so Roman Engeler vom SVLT.
Die E-Traktoren von Fendt und Rigitrac werden, wenn sie auf dem Markt sind, für schwerere Arbeiten oder in der Gemeindearbeit eingesetzt. In einem Obstbetrieb in der deutschen Rheinland-Pfalz kommt der Fendt e100 Vario bereits im Rahmen eines Forschungsprojekts als Kleintraktor zum Einsatz. Über den Obstbäumen sind teildurchlässige Solarzellen aufgespannt, die neben der Stromproduktion auch für die Beschattung der Bäume sorgen. Denn steigende Temperaturen, die der Klimawandel verursacht, gefährden zunehmend die Obsternte. Ein Kreis schliesst sich: aufgespannte Solarzellen gegen die Folgen des Klimawandels, der emissionslose Traktor gegen dessen Ursache.

Alternativen: Trolley-, Hybrid- und Biogas-Traktoren
Zum Grosstraktor mit Dieselmotor gibt es weitere Alternativen neben der (noch) ineffizienten Batterie und diversen Hybridmodellen. Eine hat John Deere mit dem Konzept «GridCon» vorgestellt. Der 200 kW starke Traktor wird von einem Elektromotor angetrieben, der direkt ans Stromnetz angeschlossen ist. Da sich dieser «Trolley-Traktor» nur für wiederkehrende Strecken anbietet, arbeitet er komplett autonom und ohne Führerkabine. So futuristisch das Fahrzeug aussieht, so alt ist die Idee des Antriebs: In der Schweiz wurde ein netzgebundener Traktor bereits in den 1940er-Jahren entwickelt. Für einen Vergleich mit Video und Foto einfach die Klappelemente unten öffnen.
Eine weitere Alternative stellen Verbrennungsmotoren dar, die mit erneuerbaren Treibstoffen betrieben werden. Hersteller New Holland hat sein Modell T6 mit einem Biomethan-Verbrennermotor ausgerüstet und liefert bereits aus. Vom litauischen Bio-Lebensmittelproduzenten soll mit dem Auga M1 demnächst ein Hybrid-Traktor mit Biomethan- und Elektroantrieb kommen. Ohnehin sind sich Biogas- und Elektro-Traktor näher, als man denkt. Denn ähnlich wie Strom lässt sich auch Biogas direkt auf dem Bauernhof produzieren, etwa aus Schnittresten. Allerdings sind dafür eigene Biogasanlagen nötig, die das Gas entsprechend aufbereiten. In der Schweiz gibt es erst drei solcher Anlagen, und im Vergleich zur Photovoltaikanlage auf dem Dach sind sie aufwändiger zu erstellen und benötigen einen eigenen Bauplatz.
Doch ganz gleich, welches Konzept in Zukunft von der Landwirtschaft besser angenommen wird: Es bewegt sich etwas neben dem Dieselmotor.
Artikel-Infos
Links und Quellen
-
Titelfoto
Rigitrac Traktorenbau AG
-
Fotos Bildergalerie
© AGCO GmbH (1, 2), Rigitrac Traktorenbau AG (3, 4)
-
Agrartechnik
Redaktion
Paul DrzimallaPaul Drzimalla ist Texter/Konzepter und Redaktor bei Kooi AG. Er schreibt unter anderem über Energie- und Nachhaltigkeitsthemen.
Kommentare: Was denken Sie?
niklaus schaer
Vor 3 Jahren
Wieso wird eigentlich der umweltfreundliche Betrieb von Traktoren mit Rapsöl nicht in Erwägung gezogen? Laut einer Studie der EU wird bei der (richtigen)Produktion von Raps weniger Kohlendioxid freigesetzt als eingesetzt wird. Die meisten Dieselmotoren lassen sich relativ einfach und kostengünstig auf Rapsölbetrieb umbauen, wobei sie dann immer noch mit Diesel betrieben werden können. Eine solche Umstellung eines grossen Teils der Traktoren wäre praktisch sofort möglich. Deren Betrieb wäre noch lange Zeit möglich, so dass sich Neuanschaffungen auch noch lange Zeit erübrigen. Die Energiekosten, die beim Bau neuer Traktoren enstehen, könnten also noch lange Zeit hinausgeschoben werden.Raps ist auch umweltfreundlich, weil er schon nach einem Jahr nachwächst, was z.B. beim umweltfreundlichen Holz gute 50 Jahre dauert. Zudem kann Raps praktisch vor der Haustür produziert werden und das Geld fliesst somit nicht ins Ausland.
Kilchherr
Vor 3 Jahren
Diese Option hat man auch in der Schweiz nicht nur in Erwägung gezogen, sondern auch zu Forschungszwecken umgesetzt. Dass ein Landwirt den Treibstoff selber herstellen kann wie früher den Hafer und das Heu für die Pferde, ist durchaus ein interessanter Gedanke. Aber: Die Rapsanbaufläche in der Schweiz (knapp 25’000ha) deckt den inländischen Bedarf an Speiseöl nur etwa zu 67%. Möchte man zusätzlich den Verbrauch an Diesel in der Landwirtschaft mit Rapsöl decken, müssten zusätzlich etwa 110’000ha Raps angebaut werden. Wir hätten also überspitzt ausgedrückt die Wahl zwischen einem vollen Tank oder leeren Tellern. Dazu kommt die Herausforderung, die geltenden Abgasvorschriften mit einem Pflanzenölmotor einhalten zu können.
Jürg Jehle
Vor 3 Jahren
Ein Knall wird die Energiewende beenden.
👉Wer ist eigentlich verantwortlich für die Stromversorgungssicherheit in der Schweiz ?
Rund 40% des Schweizer Stromverbrauchs lieferten die KKW und rund 60% liefern Wasserkraft und andere Quellen, 3% Sonne und Wind wenn sie da sind.!
Zusätzlich wird Strom importiert, hauptsächlich im Winter, um den Strommangel auszugleichen, WEIL STROMLIEFERUNG UND VERBRAUCH JEDERZEIT IM GLEICHGEWICHT SEIN MUSS (Naturgesetz)
Nun sollen die KKW verschwinden, aber der Ersatz ist noch umstritten, weil Fusionskraftwerke funktionieren noch nicht und Sonne Wind und deren Strom FEHLEN x-tausend Stunden und Momente jedes Jahr. Es müssten also Speicher für über 40% Stromverbrauch zugebaut werden
ODER VERBRAUCHER ABGEREGELT WERDEN.
👉Aber Künftig steigen Strom-Verbrauch und -Leistung zum speichern von Wasser, Strom, Wasserstoff, wegen eMobilität, Wärmepumpen, Bevölkerungszuwachs +20%, Digitalisierung und ERSATZ von KKW, Öl, Kohle, Gas, CO2 usw.
https://youtu.be/ugHZyLOIqtE
Thomas Elmiger
Vor 3 Jahren
Grüezi Herr Jehle, die Energiewende wird weitergehen. Die KKW steuern nur rund 30% der in der Schweiz produzierten Energie bei, im Sommer wird aber ein Teil davon exportiert und beim inländischen Verbrauch ist der Anteil darum kleiner.
Statt Speicher im ganz grossen Stil zu bauen oder den Verbrauch zu steuern, werden wir allenfalls weiterhin Energie importieren – sicher aber nicht mehr so viel wie heute in Form von Öl und Gas und Uran (was etwa 70% unseres Energiebedarfs entspricht).
Danke für den Link zum Interview, es zeigt gut auf, warum es wichtig ist, wo immer möglich auch Energie einzusparen.
Wer wofür verantwortlich ist, können Sie in unserem neuen Beitrag hier nachlesen: https://www.energie-experten.ch/de/wissen/detail/stromversorgungssicherheit-in-der-schweiz-ein-ueberblick.html