CO₂ aus der Atmosphäre neu nutzen: Carbon Capture and Utilisation CCU
Für Netto-Null bis 2050 müssen wir Wege finden, um bereits emittiertes CO2 wieder aus der Erdatmosphäre zu entfernen. Eine der möglichen Lösungen heisst: Pyrolyse von synthetischem Methan.
Um die Klimaziele zu erreichen, müssen wir den Ausstoss von Treibhausgasen massiv senken und die erneuerbaren Energien schneller ausbauen. So viel ist klar. Doch ausreichen werden auch diese Massnahmen nicht für Netto Null bis 2050. Viele Emissionen werden sich nämlich auch künftig kaum vermeiden lassen. Sie müssen deshalb kompensiert werden.
CO2 in Kohlenstoffpulver für den Markt umwandeln
Es braucht deshalb neue Wege, um Kohlendioxid der Erdatmosphäre wieder zu entziehen, es zu speichern und neuen Nutzungen zuzuführen. Auch an der Empa in Dübendorf beschäftigt man sich eingehend mit der Frage, wie CO2 nachhaltig und wirtschaftlich aus der Luft entfernt und als Ressource für kohlenstoffhaltige Materialien verwendet werden könnte.
Die Forschungsinitiative «Mining the Atmosphere» nähert sich dem Thema aus ganz unterschiedlichen Richtungen. Einer der möglichen Wege ist die sogenannte Pyrolyse von synthetischem Methan. Das bedeutet: Wird mit erneuerbarer Energie hergestelltes Methan unter Ausschluss von Sauerstoff sehr hohen Temperaturen ausgesetzt – eben pyrolysiert –, wird dieses in gasförmigen Wasserstoff und pulverförmigen Kohlenstoff aufgetrennt. Beide Stoffe haben das Potenzial, wesentlich zu den Klimazielen beizutragen, ist man an der Empa überzeugt. Wenn sie denn effizient und nachhaltig eingesetzt werden können.
Wasserstoff statt fossiles Erdgas für die Industrie
Hochtemperaturprozesse sind nach Raumwärme und Mobilität die drittgrösste Energieverbrauchergruppe der Schweiz.
Der so gewonnene Wasserstoff etwa könnte für Hochtemperaturprozesse in der Industrie genutzt werden. Anlagen der Metallverarbeitung oder der chemischen Industrie benötigen viel Energie und werden heute oftmals mit fossilem Erdgas betrieben. Hochtemperaturprozesse sind nach Raumwärme und Mobilität die drittgrösste Energieverbrauchergruppe der Schweiz.
Wird für 1 MWh Wärme synthetisches Methan statt Erdgas eingesetzt, reduzieren sich die CO₂e-Emissionen von 288 kg auf 126 kg. Kommt Wasserstoff aus pyrolysiertem synthetischem Methan zum Einsatz, resultieren negative CO₂e-Emissionen von -77 kg. (Grafik: Empa)
Gemeinsam mit dem Verein zur Dekarbonisierung der Industrie (VzDI) in Zug arbeitet die Empa derzeit an der technischen Umsetzung. Konkret wird in Zug im Sommer 2025 eine Demonstrationsanlage für die Pyrolyse von synthetischem Methan in Betrieb genommen.
Der so gewonnene Wasserstoff soll fossiles Erdgas ersetzen, mit dem der Haushaltgerätehersteller V-Zug heute seinen Emaillierungsofen betreibt (unser Titelbild). Im diesem werden Metallteile, die später im täglichen Gebrauch grosser Hitze ausgesetzt sind – Ofen- und Steamergehäuse, aber auch Backbleche – bei sehr hohen Temperaturen emailliert. Das heisst: Aus einem vorgängig aufgetragenen Pulver bildet sich eine harte und temperaturbeständige Schicht.
Schema der Methan-Pyrolyseanlage, wie sie ab Sommer 2025 in Zug aufgebaut werden wird. (Illustration: zvg.)
«Natürlich könnte man Wasserstoff auch mit Strom produzieren», sagt Christian Bach, Leiter Abteilung Chemische Energieträger und Fahrzeugsysteme an der Empa und Mitinitiant des Projekts. Das Zuger Unternehmen habe sich jedoch zum Ziel gesetzt, seinen Treibhausgasausstoss nicht nur zu reduzieren, sondern auch Anwendungen mit negativen CO2-Emissionen einzusetzen. Möglich ist das im vorgesehenen Fall aber nur, weil bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind:
Für die Produktion von synthetischem Methan wird CO2 aus der Erdatmosphäre bezogen.
Der Kohlenstoff aus dem CO2 wird in der Methanpyrolyse als Pulver abgeschieden und emittiert somit kein CO2.
Wo aber kommt das synthetische Methan für die Pyrolyse her? Grundsätzlich braucht es für die Erzeugung von erneuerbarem Methan Kohlendioxid, das zum Beispiel der Atmosphäre entnommen werden kann – und Wasserstoff aus erneuerbarer Energie. An der Empa richtet man den Blick nicht nur darauf, wie das CO2 für die Methanherstellung effizient und nachhaltig aus der Luft entnommen werden könnte. Sondern man beschäftigt sich auch damit, wo solche Anlagen stehen könnten. Für die Forschenden ist klar: Die Rechnung kann nur aufgehen, wenn für die gesamten Prozesse mehr als genug erneuerbare Energie verfügbar ist, für die es keine andere Nutzung gibt. Der Energiebedarf der Schweizer Industrie lässt sich unmöglich mit einer inländischen Produktion von synthetischem Methan decken. Die Erzeugung müsste in Wüstenregionen verlagert werden – dorthin also, wo die Sonneneinstrahlung pro Quadratmeter doppelt so hoch ist wie in der Schweiz und Photovoltaikstrom entsprechend günstiger.
Doch auch in einem solchen Fall heisst es, die gesamte Energie- und Treibhausgasbilanz genau im Auge zu behalten, weiss man bei der Empa. Denn auch für eine Entnahme von CO2 und die Produktion von Methan in der Wüste muss ein grosser technischer Aufwand betrieben werden. Das verursacht wiederum Emissionen. So gilt es den Bau aller dafür notwendigen Anlagen, den Transport des synthetischen Methans in die Schweiz sowie die anschliessende Pyrolyse einzuberechnen.
Kohlenstoff für diverse Produkte
Eine grosse Herausforderung sind die Kosten. Wenn industrielle Hochtemperaturprozesse nachhaltig und effizient mit Wasserstoff betrieben werden sollen, muss der Wasserstoff kostengünstig bereitgestellt werden. Das ist nur möglich, wenn auch der durch die Pyrolyse gewonnene Kohlenstoff vermarktet werden kann. An der Empa verfolgt man dieses Ziel derzeit über mehrere Wege.
Kohlenstoff dauerhaft in Baumaterialien einlagern
Negative Emissionen weisen einen Marktwert auf, wie Bach sagt. In einem ersten Schritt solle der gewonnene Kohlenstoff deshalb für lange Zeit eingelagert werden. Baustoffe und Strassenbeläge würden sich dafür besonders gut eignen: Sie werden in sehr grossen Mengen produziert, können via Recycling lange genutzt werden und erfordern für die Einlagerung von aus CO2 erzeugtem Kohlenstoff keine neuen Infrastrukturen. Ganz besonders gilt das alles für Beton. Der Kohlenstoff wird erst zu einem Granulat verarbeitet und dann dem Beton beigemischt. Werde das Granulat dereinst beim Gebäudeabbruch beziehungsweise beim Recycling nicht verletzt, liesse sich der kohlenstoffhaltige Beton auch mehrmals verwenden, so der Forscher. Auf diese Weise könnte das CO2 sogar bis mehrere Hundert Jahre lang sicher eingelagert werden.
Kohlenstoff-Granulat (Foto: Empa)
Funktionalität des kohlenstoffhaltigen Betons verbessern
«Den Kohlenstoff einfach kalt im Beton zu deponieren, ist aber nicht das einzige Ziel», betont Bach. Es gehe auch darum, dass der Kohlenstoff mittel- und langfristig eine Funktionalität übernehme und den Beton verbessere – zum Beispiel in Bezug auf dessen Stabilität oder Alterung. So würde auch sein Marktwert steigen. «Im besten Fall führt das dazu, dass in Zukunft insgesamt weniger Beton eingesetzt werden muss.»
Klimafreundlicherer Kohlenstoff für die Reifenindustrie
Denkbar ist laut Bach auch, dass der gewonnene Kohlenstoff das klimaschädliche Carbon Black (auf Deutsch: Industrieruss) ersetzen könnte. Dieses wird heute aus Erdgas beziehungsweise Erdöl produziert und vor allem in der Reifenindustrie eingesetzt, aber auch für die Herstellung von Dichtungen und Produkten aus Gummi.
Pyrolytischer Kohlenstoff aus Methan (Foto: Empa)
Material für Produkte mit hoher Wertschöpfung
Ein Teil des durch die Pyrolyse abgespaltenen Kohlenstoffs könnte zu hochwertigem Material weiterverarbeitet werden. Als Ausgangsmaterial für Graphit oder Kohlefasern käme der aus CO2 erzeugte Kohlenstoff zum Beispiel bei der Herstellung von Batterien oder im Leichtbau für Fahrräder oder Karosserien zum Einsatz. «Damit könnten nicht nur negative CO2-Emissionen erreicht werden», sagt Bach. «Sondern das in Kohlenstoff umgewandelte CO2 aus der Atmosphäre würde auch einen zusätzlichen Nutzen erzeugen.»
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